Nachhaltigkeit in Remchingen (Foto-Collage von M. Fessner und J. Höll)
Was trägt Remchingen zu unserer Zukunft bei?
„Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden“, definiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Remchingen möchte sich daran ein Beispiel nehmen: Nachdem die Gemeinde 2021 den Antrag gestellt hatte, wurde am 6. Mai diesen Jahres Remchingen offiziell der Titel „Fairtrade-Town“ verliehen. Diese Auszeichnung belohnt den fairen Handel auf kommunaler Ebene sowie die Zusammenarbeit zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. In ganz Deutschland gibt es bisher lediglich 841 Fairtrade-Towns, das sind 7,7% aller deutschen Kommunen. Im Enzkreis beläuft sich diese Zahl auf 6 von 28 Gemeinden.
Für Remchingens Nachhaltigkeitsbeauftragte Christina Bischoff bedeutet „Fairtrade-Town“, dass Menschen in anderen Ländern, die für die Kommune produzieren, über eine Existenzgrundlage verfügen. Um dazu beizutragen, wurde aus Mitgliedern von Verwaltung, Einzelhandel, Vereinen und interessierten Bürgern eine Steuerungsgruppe eingerichtet, deren Aufgabe es ist, entsprechende Aktionen in Remchingen anzustoßen. Zu den ersten Maßnahmen gehörte z.B. die Umstellung auf Bio-Milch und Fair-Trade-Kaffee im Rathaus.
Alle geplanten oder bereits umgesetzten Schritte sind auf die Erfüllung der 2022 beschlossenen 17 Nachhaltigkeitsziele des Enzkreises ausgelegt, welche unter anderem nachhaltige Städte und Gemeinden vorsehen. Im Bereich nachhaltige Mobilität und Infrastruktur laufen in Remchingen derzeit Projekte wie Carsharing (zwei Fahrzeuge des Karlsruher „Stadtmobils“ stehen am Bahnhof), Ausbau der bestehenden Radwege (dafür mussten an unserer Schule aber leider auch Bäume abgeholzt werden) und des E-Bike-Ladesystems. Erfolge konnten durch eine Baumpflanzaktion von 300 Bäumen, Thermographie-Angebote für Bürger sowie eine Stärkung der Remchinger Hofläden durch Berichte im Mitteilungsblatt verzeichnet werden.
Wie sieht das regionale Angebot konkret aus? Von der Nachhaltigkeit des Mühlenladens in Singen haben wir uns selbst überzeugen lassen. Neben eigens hergestelltem Mehl finden sich dort auch fair gehandelte Snacks sowie allerhand regionale Bio-Produkte. Nicht nur die Hofläden vertreiben ihre Erzeugnisse, der Edeka Getsch geht mit gutem Vorbild voran und bietet die ortseigenen Eier vom Bauernhof Ade an.
Intensiver haben wir das Angebot im Penny in Singen betrachtet. Der Supermarkt wirbt mit dem Slogan „Regionaler ackert keiner“ für sein Gemüse. Gemessen an der Anzahl der Artikel mit Regionalfenster bietet er mehr als alle anderen Discounter. Tatsächlich lassen sich zwischen dem regulären Angebot verschiedene Fair-Trade-Alternativen entdecken, wie zum Beispiel fair gehandelte Schokolade, Säfte und Süßigkeiten. Im Kühlregal fallen uns die Fleischalternativen wie klimaneutraler Tofu, pflanzliches Schnitzel und Salami auf Weizenbasis auf. Auch das Frühstück kann mit palmölfreier Nuss-Nougat-Creme und Soja-Milch nachhaltig gestaltet werden. Trotz kleiner Lichtblicke bleibt die große Summe an Artikeln wie überall plastikverpackt und ohne Nachhaltigkeitssiegel. Vor allem ins Auge springt das ketteneigene To-Go-Regal im Eingangsbereich mit seinen plastikverpackten Holzgabeln, Tütensalat und der großen Bandbreite an Kaffeegetränken in Wegwerf-Bechern.
Bei einer von uns durchgeführten Umfrage stellte sich heraus, dass die regionalen und fair gehandelten Produkte bei den Bürgern ankommen. Alle Interviewpartner waren sich einig, dass man auf die nachfolgende Generation Rücksicht nehmen müsse. Jede*r Einzelne könne – so die Befragten – seinen Teil dazu beitragen, indem man öfter Fahrrad anstatt Auto fährt und bei der Ernährung auf regionale Produkte achtet oder den Fleischkonsum überdenkt. Auch in Bezug auf den Haushalt könne Nachhaltigkeit mehr gelebt werden, sei es bei der Auswahl des Ökostromanbieters oder der umweltschonenden Reinigungsprodukte. Eine andere Interviewpartnerin betonte die Rolle der Politik. Ohne Anleitung von oben zeige der Durchschnittsbürger nicht genügend Bereitschaft, Opfer zu bringen. Noch immer seien Flugreisen zu lukrativ – gerade im Vergleich zu langen Zugfahrten. Um dies zu ändern, wäre finanzieller Druck der Politik von Nöten.
Die neu gewählte Bürgermeisterin Julia Wieland kann sich vor dem Antritt ihrer Amtszeit nicht konkret über eine geplante Vorgehensweise äußern, allerdings verrät uns die Nachhaltigkeitsbeauftragte Frau Bischoff, dass die zukünftige Bürgermeisterin in ihrem Wahlkampf bei einem Vortrag über faire Kleidung anwesend war. Im Allgemeinen habe sie in ihrem Wahlkampf für Klimaschutz und nachhaltige Wirtschaft geworben.
Das Gymnasium Remchingen hat seine diesjährigen Projekttage unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ gestaltet. Bei Projekten wie Upcycling, veganem Kochen und informativen Ausflügen (z.B. zur Klima-Arena nach Sinsheim) lernten Schülerinnen und Schüler zwei Tage lang spielerisch den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Dabei ist auch dieser Artikel ist im Rahmen eines Journalismus-Projekts entstanden.
Wie nachhaltig ist Remchingen also im heißen Sommer 2023? Schon weiter als manche Gemeinden in Deutschland. Aber es muss bei uns und anderswo noch viel getan werden, damit die Möglichkeiten von Jugendlichen in Remchingen und auf der ganzen Welt nicht so eingeschränkt werden, dass wir als letzte Generation in die Geschichte eingehen.
Von Maja Fessner und Julie Höll