Remchinger Gymnasiasten spielen bei Werkschau mit Klischees über Integration und Respekt
Remchingen (zac). Schule im Ausnahezustand: Von einer überforderten Lehrerin, disziplinlosen Schülern und einem übergroßen Haufen Klischees rund um Migrationshintergründe, Integration, Respekt und Moral handelt das Stück „Verrücktes Blut“. Einige Schlüsselszenen, aber auch viele eigene Improvisationen brachten die Schülerinnen des Literatur- und Theaterkurses vom Gymnasium Remchingen am Dienstagabend ausdrucksstark auf die Bühne. Bei ihrer Werkschau unter Leitung von Martina Bissinger ließen sie das Publikum bewusst auch hinter die Kulissen blicken – und ausgiebig Fragen stellen.
„Es geht nicht um die Schüler, nicht um die Lehrerin, nicht um die Schule – es geht um den Blick darauf, um das Publikum“, verdeutlichen die zehn Schauspielerinnen der elften und zwölften Klasse eingangs unisono. Mit Zigaretten, Smartphones und Energydrinks toben die aufmüpfig-perspektivlosen Figuren durchs Klassenzimmer – und haben weit andere Dinge im Kopf als Schillers „Räuber“ oder „Kabale und Liebe“. Mariam (abwechselnd gespielt von Maja Fessner und Carolina Cardella), Latifa (Julie Höll), Musa (Annika Holm und Marie Schultz), Hassan (Nelly Klaus und Juila Langhof) und Ferit (Hanna Schroth) haben kaum mehr zu sagen als obercoole Beleidigungen unter der Gürtellinie. Die Nerven der überanstrengten Lehrerin Kehlich (Frieda Albert und Elsa Ringelschwendner) liegen blank.
Als ausgerechnet der Lehrerin eine Pistole in die Hände fällt, ergreift sie die vermeintliche Chance, sich Respekt zu verschaffen: Mit dem Revolver am Kopf der pubertierenden Schützlinge scheint der Unterricht zu klappen. Kehlich versucht krampfhaft, den Schülern ihren Akzent auszutreiben, während sie deren Vornamen selbst nicht aussprechen kann: „Manchmal müssen Menschen gezwungen werden.“ Im Laufe von geschickten Improvisationen, unwillkürlichen Tics, Entfremdungen von Rollen und mutiger Beatbox-Mundakrobatik wendet sich das Blatt. Die Waffe fällt zurück in Schülerhand, die schließlich frei nach Schiller fordert: „Schwimme, wer schwimmen kann, und wer zu plump ist, geh unter!“
„Wenn das die heutige Schulwelt war, bin ich entsetzt“, stellt ein Zuschauer am Ende fest, dem das Lachen vergangen sei. Eine andere fragt nach dem Erfolg der Integrationspolitik. Sie erinnert an die brandaktuellen Ausschreitungen der Berliner Silvesternacht und die daraufhin häufige Frage nach der Bedeutung des Migrationshintergrunds. Die Frage ließ sich noch nicht abschließend beantworten, denn im Laufe der Befunde rückten auch deutsche Gewalttäter immer stärker ins Blickfeld. Das Originalstück „Verrücktes Blut“ des türkischen Theaterregisseurs Nurkan Erpulat und des deutschen Dramaturgen Jens Hillje regte schon bei der Uraufführung 2010 viele Diskussionen an. Mit überspitzten Darstellungen hinterfragt das Stück kritisch den Blick der Gesellschaft – und gewann bereits mehrere Preise. „Ich habe oft überlegt, ob man das so aufführen kann“, erklärt Schülerin Frieda Albert, „Aber es ist geschrieben, um das Publikum zum Nachdenken zu bringen, um selbst etwas herauszuziehen – und das hat es ja wohl geschafft.“
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Überspitzte Klischees rund um Migration, Integration, Respekt und Moral brachte der Literatur- und Theaterkurs des Remchinger Gymnasiums bei seiner Werkschau „Verrücktes Blut“ auf die Bühne. Foto: Zachmann
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Am Ende der Aufführung beantworteten die Schauspielerinnen und Lehrerin Martina Bissinger (links) Fragen der Zuschauer. Foto: Zachmann