Ein Jahr mit dem Virus und vielen Alltagshelden
Remchingen ist ein Ort mit circa 12.000 Einwohnern, zwischen den Städten Karlsruhe und Pforzheim gelegen. Hier leben die Menschen gerne zusammen und feiern Straßenfeste und Kirchenfeste. Hier gibt es insgesamt 13 kirchliche Verbände und Kirchen. Den Menschen ist der Gottesdienst und ein soziales Miteinander sehr wichtig. Zusätzlich hat Remchingen noch eine Partnergemeinde in Italien: San Biagio Platani in Sizilien. Welche Auswirkungen hatte Corona dort? Wäre auch eine weitere Recherche wert. Mit dieser Gemeinde findet jährlich ein Partnerschaftsfest in Remchingen statt. COVID-19/Corona vieles verändert. In dieser Reportage blicke ich auf das vergangene Pandemiejahr in unserer Gemeinde zurück.
Im Januar begann das Jahr normal mit einem spektakulären Silvesterfeuerwerk. Man wusste zwar schon, dass ein neuartiges Virus in China ausgebrochen ist, aber man konnte sich nicht vorstellen, dass es auch unser Leben in Remchingen nachhaltig verändern wird. Das neue Remchinger Rathaus wurde fertiggestellt und in einem großangelegten Umzug wurde aus drei Rathäusern ein modernes zentralgelegenes Rathaus. Ende Januar wurde bekannt, dass das Corona Virus auch nach Deutschland gekommen ist. Zum ersten Mal entdeckt in der Firma „Webasto“ in Bayern bei mehreren Mitarbeitern.
Im Februar startete die Karnevalszeit. In Remchingen ging alles seinen gewohnten Gang und keiner dachte an Corona. Zur gleichen Zeit, in der der Kreis Heinsberg durch eine Karnevalsveranstaltung zum Epizentrum der Pandemie in Deutschland wurde, feierte man hier noch den alljährlichen Karnevalsumzug im Ortsteil Singen und das Gesamt-Remchinger Bürgertreffen. Beides waren Veranstaltungen, wo sich viele Menschen trafen und den Karneval feierten. Eine Woche Ferien wurde noch von vielen genutzt, um Ski fahren zu gehen. Auch ich verbrachte mit meinen Eltern in der Schweiz Ski Ferien. Auf unserer Rückfahrt erfuhren wir in den Nachrichten, dass die Basler Fastnacht aufgrund von Corona abgesagt wurde. Die Stimmung auf dem Rückweg war schon bedrückt.
Im März wurde noch eine Lesung der Autorin Christiane Brudereck zum Weltfrauentag von der örtlichen Kirche organisiert. Kurz danach war es dann soweit, um das Pandemiegeschehen einzudämmen, wurden die Schüler und die Kindergartenkinder bundesweit nach Hause geschickt. Zunächst bis zum Ende der Osterferien. Zum ersten Mal hörte man den bisher unbekannten Begriff „Lockdown“. Südtirol wurde zum Risikogebiet und es gab schon Schüler, die aufgrund des Ferienaufenthalts dort in Quarantäne mussten. Die Restaurants und Geschäfte mussten schließen. Es war nur noch möglich, die lebensnotwendigen Dinge wie Lebensmittel, Medikamente zu kaufen. Aus dieser Not heraus startete der Remchinger Einzelhandel einen Online-Bestell-Service, um auch die Bindung zu ihren Kunden zu erhalten. Die örtliche Buchhandlung Literadur machte es möglich, Bücher bequem nach Hause zu liefern. Dennoch veränderte sich die Einkaufssituation für die Bürger komplett und der Internethandel erlebte einen riesigen Boom. Zu Beginn der Pandemie wurde die Nachbarschaftshilfe Challenge ins Leben gerufen. Mit dieser Aktion sollten alle Remchinger Bürger unterstützt werden, die älter waren, zu einer Risikogruppe gehörten oder wegen Quarantäne ihre Erledigungen nicht selbst machen konnten. Die örtlichen Kirchengemeinden und die CVJMs waren bereit nach Menschen zu suchen, die ihre Hilfe ehrenamtlich zur Verfügung stellen wollten. Es wurden Unterstützung angeboten wie Einkaufen gehen, Rezepte abholen oder etwas zur Post bringen. Laut Auskunft von Katrin Bauer (Koordinatorin der Diakoniestation und Leiterin der Remchinger Tafel) war es dem Bürgermeister Remchingens Luca Wilhelm Prayon wichtig, dass es eine zentrale Anlaufstelle gäbe und diese Aufgabe von der Diakoniestation übernommen werde. Es gab einen Aufruf im Gemeindeblatt für freiwillige Helfer. Durch diesen Aufruf sei ein großes Netzwerk entstandenen, das zum größten Teil aus Studierenden und Menschen im Homeoffice bestand. Nach einer gewissen Zeit gab es mehr Helfer als Hilfesuchende. Kathrin Bauer ist der Meinung, dass dies hauptsächlich daran läge, dass der Einkauf für die Menschen die einzige Möglichkeit war, um einmal aus den vier Wänden zu kommen. Außerdem gab es einige Angehörige, die zu Hause waren und die Möglichkeit hatten diese Einkäufe zu tätigen. Leider traten in unserem Altersheim auch die ersten zwei Corona-Fälle auf. Danach wurde das Heim für Besucher geschlossen.
Im April sollten die Schulen und die Geschäfte wieder öffnen, doch dazu kam es nicht. Der Lockdown wurde weiter verlängert. Es entstand eine Maskennot in den örtlichen Altenheimen und der Krankenpflege. Ein Unternehmer aus China, der früher in Remchingen wohnte, sendet für die örtliche Alten- und Krankenpflege tausende Schutzmasken. Er übernahm die Kosten und die Versandabwicklung nach Deutschland. Hier zeigte sich die guten sozialen Kontakte, die in unserer Gemeinde gepflegt werden. Ab Mitte April entstand die Idee, Kino und Liveaufritte von Künstlern in einem Autokino vorzuführen.
Im Mai startete ein Autokino in Remchingen unter dem Namen „Freibadbühne, direkt auf dem Parkplatz des Schlossbads. Kulturhallenleiter Paul Taube berichtet, dass sie dafür extra eine Radiolizenz beantragen mussten. Zusätzlich gelang es dem Organisationsteam einen, der wenig verfügbaren Radiosender, zu kaufen. Radiosender waren zu dieser Zeit eher Mangelware. 60 Minuten vor Programmbeginn wurden die Autos auf ihren Platz eingewiesen. Das Verlassen des Autos war nur für einen Toilettengang erlaubt. Auf der Bühne konnte man Live-Auftritte von Comedians sowie Bands mit dem sicheren Abstand aus dem Auto anschauen. Zusätzlich gab es auch noch Kinofilme und die Premiere eines neuen Stuttgarter „Tatort“ Film. Doch die Nachfrage nahm irgendwann stark ab. Verantwortliche des Autokinos in Remchingen und vom nahegelegenen Autokino in Pforzheim berichten, dass es irgendwann zu wenig Filme gab. Des Weiteren konnten die Filme erst um 22.00 Uhr starten, da es vorher nicht dunkel war. Viele Zuschauer besuchten daher nur am Wochenende das Autokino. Auf Nachfrage bei Kulturhallenleiter Paul Taube vermutet er, dass die Gründe für die wenig besuchten Autokinos, die Öffnung von Freibädern und Biergärten war. Dadurch waren mehr Freizeitaktivitäten möglich und das Autokino war nicht mehr die einzige Wahl für die Bewohner Remchingens.
Ein volles Autokino auf dem Parkplatz des Remchinger Freibads. Foto: Zachmann
Im Juni war der erste Lockdown vorbei und das Remchinger Schlossbad konnte seine Pforten etwas verspätet öffnen, mit einem Corona konformen Hygienekonzept. Es gab keine klassische Kasse mehr, sondern einen Online Ticket Verkauf, um genau zu kontrollieren, dass nur die erlaubte Menge an Personen das Freibad betreten. Zum Unmut einiger älteren Bewohner, für die es nicht mehr möglich war an der Kasse Karten zu kaufen und somit das Freibad zu nutzen. Die Veranstaltungsbranche machte mit der #nightoflight auf sich aufmerksam. In Remchingen wurde das neue Rathaus in Rot von der Firma LMT bestrahlt. Die Firma wollte damit bei der bundesweiten Aktion mitwirken und darauf aufmerksam machen, dass die Kulturbranche seit März fast keinen bzw. wenig Umsatz macht.
Das Remchinger Rathaus erstrahlt in Rot bei der Aktion #nightoflight. Foto: Maier
Im Juli starteten die Schulsommerferien. Es gab zwar keine Einschränkungen mehr, doch es wurde weiterhin vor Reisen ins Ausland gewarnt. Der örtliche Turnerbund TB Wilferdingen wurde von der Sparkassen Finanzgruppe ausgezeichnet für die Kooperationen mit den umliegenden Schulen beim Sportabzeichen. Das örtliche historische Römermuseum, dass immer ein großer Besuchermagnet in Remchingen und in Umgebung ist, durfte für Besucher wieder öffnen.
Im August war es trotz Corona eher ruhig. Viele Menschen auch in Remchingen blieben zu Hause oder machten Urlaub im eigenen Land. Man hatte Zeit die schönen Gebiete seiner Heimat anzuschauen, die man vielleicht ohne die Corona Pandemie nie entdeckt hätte. Reisen ins europäische Ausland waren trotz der Krise noch möglich. Im Laufe der Sommerferien wurden dann immer mehr Länder aus dem Ausland zu Risikogebieten erklärt durch das Robert-Koch Institut. Maskenpflicht war weiterhin Vorschrift, aber dennoch rückte das Virus gedanklich in den Hintergrund.
Im September startete das neue Schuljahr für die Schulen in Baden-Württemberg. Für viele Schüler war es ungewohnt nach einer so langen Zeit ohne Präsenzunterricht wieder in die Schule zu kommen. Die Schulen mussten Hygienekonzepte entwickeln, um die einzelnen Klassen möglichst voneinander zu separieren. Mit Absperrbändern wurden in unserer Schule ein Einbahnstraßensystem konzipiert. Alle 20 Minuten wurden die Klassenräume gelüftet, da das Wetter noch gut war, wurde manchmal auf Dauerlüften umgestellt. Der Pausenhof wurde in verschiedene Bereiche für jede Klasse eingeteilt. Ende des Monats wurde der Wirtschaftsbericht der Gemeinde vorgestellt, trotz des Rathausneubaus traf die Coronakrise die Gemeinde, weniger hart als erwartet. Gemeinderat Dieter Walch berichtete, dass die Horrorszenarien, nämlich starke Einnahmenrückgänge, auf die sich die Gemeinde vorbereitet hatte, nicht eingetroffen seien. Irgendwie dachte man, dass man mit einem blauen Auge davongekommen sei.
Im Oktober entstand eine neue Zentralbibliothek im neuen Rathaus. Seitdem gibt es einen neuen Ort für junge Familien in der Gemeinde. In den Schulen wurde jetzt eine allgemeine Maskenpflicht eingeführt, da in Baden-Württemberg die Pandemiestufe 3 galt durch einen sprunghaften Anstieg der Neuinfektionen über eine längere Zeit. Zur gleichen Zeit besuchte der Ministerpräsident Wilfried Kretschmann Remchingen und führte kommunalpolitische Gespräche mit den Bürgern zu sprechen. Natürlich konnten nur ein wenige Bürger dem Empfang beiwohnen. Jetzt wurden wieder viele Stimmen laut die von der zweiten Welle sprachen.
Im November startete dann auch der Lockdown Light und die Restaurants mussten wieder schließen. Einige lokale Restaurants stellten ihr Angebot wieder auf To-Go Gerichte um. Auch die Nachbarschaftshilfe Challenge wurde wieder gestartet. Die Liste von Freiwilligen war immer noch verfügbar und so konnte man Hilfsbedürftigen wieder in verschiedenen Formen helfen. Ende des Monats spielte der örtliche Musikverein ein kleines Konzert vom Balkon des neuen Rathauses, um die Adventszeit für die Bewohner des Altenheims einzuläuten. Das örtliche Diakoniezentrum organsierte einen Türchen Adventskalender an verschiedenen Fenstern. Damit alles Corona konform blieb sollte es keine Einweihung der jeweiligen Fenster geben und die Einwohner wurden gebeten sich nicht vor den Fenstern zu versammeln.
Im Dezember starten normalerweise traditionell die Weihnachtsmärkte, doch Corona machte auch dies unmöglich und das Weihnachtdorf in Remchingen musste ausfallen. Im Restaurant Rössle entstand ein kleiner coronakonformer Pop-up-Store mit traditioneller Handwerkskunst wie normalerweise auf dem Weihnachtsmarkt. Trotz des Lockdown Lights stiegen die Infektionszahlen sprunghaft an. Der Enzkreis wurde sogar zum Hotspot aufgrund der hohen Inzidenzzahlen. Deutschland ging jetzt in einen harten Lockdown. In Baden-Württemberg wurden sogar Ausgangsbeschränkungen von 20 bis 5 Uhr eingeführt. Die Schulen mussten ab dem 16. Dezember schon wieder schließen. Die einzige Ausnahme waren die Abschlussklassen, die noch eine Woche online Unterricht erhielten. Auch ich gehöre zur Abschlussklasse. Daher kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass der Online-Unterricht im Gegensatz zum ersten Mal gut geklappt hat. Die Schwierigkeiten aus dem ersten Lockdown waren überwunden. Der Online-Unterricht und die Kommunikation mit den Lehrer:innen über die TEAMS Plattform funktioniert um einiges besser als noch im Frühjahr. Auch der Einzelhandel mussten die Läden wieder wie im März schließen, was den Geschäften das Weihnachtsgeschäft vernichtete. Die Politik wollte mit Überbrückungshilfen diesen Unternehmen zur Seite stehen. Die wirtschaftlichen Folgen sind bis heute noch nicht bekannt. Auch Remchingen besitzt ein großes Industriegebiet „Billäcker“ mit deutschlandweit agierenden Firmen. Man rechnet allerdings mit einigen Schließungen und Insolvenzen besonders im Einzelhandel, Hotelgewerbe und Gastronomie. Leider wurde auch das Click- und Collect verboten. Hiermit hätte man sicherlich den lokalen Einzelhandel vor Ort besser unterstützen können.
Eltern hatten dieses Jahr eine größere Aufgabe zu bewältigen. Sie mussten Kinder und die Arbeit unter einen Hut bringen. Nachbarn haben uns erzählt, dass sie, beide Ehepartner, seit März im Homeoffice arbeiten. Dies wäre oft schwierig und bedrückend. Das persönliche Gespräch mit den Arbeitskollegen würden sie sehr vermissen.
Weihnachten durfte nur im kleinen Familienkreis gefeiert werden. Die evangelische Kirchengemeinde in Remchingen plante an Heiligabend einen Open-Air-Gottesdienst vor dem Rathaus. Kurzfristig musste auch dieser wegen hoher Infektionszahlen im Enzkreis abgesagt werden.
Für Silvester galt die Ausgangsbeschränkung des Landes Baden-Württemberg. Dennoch ließen sich viele Remchinger ein Feuerwerk vor der Haustür nicht entgehen. Man hätte gedacht, dass es wegen des Verkaufsverbots kein Feuerwerk geben würde.
Weihnachtsferien wurden jetzt genutzt, um sich auf Arbeiten vorzubereiten, die in der letzten Woche nicht mehr geschrieben werden, konnte. Gegen Ende der Ferien wurde wieder über eine Verlängerung des Lockdowns gesprochen. Allerdings merkte man, dass Baden-Württemberg auch wieder dies anders machen wollte. Abschlussklassen mussten nach den Ferien in die Schule kommen, um Klassenarbeiten zu schreiben.
Kurz nach der Zulassung des ersten Impfstoffs der Firma BionTech ging es um die Organisation von Kreisimpfzentren. In vielen Gemeinden gab es Aufrufe zur Mitarbeit. Da in Remchingen auch viele alte Menschen allein wohnen, startete die Diakonie die Organisation über Ehrenamtliche für Fahrten zu den Impfkreiszentren. Doch einen Impftermin zu bekommen ist schwierig. Viele ältere Personen verfügen oft nicht über Internet und können online keinen Termin vereinbaren. Es gibt noch viele Probleme, die aber im Laufe der Zeit sicherlich noch gelöst werden.
Die Pandemie hat diesen Ort sehr getroffen. Die Folgen wie zum Beispiel die Schließung der Geschäfte und Restaurants sind bis jetzt noch ungewiss. Die Bewohner hoffen alle, dass es keine zu großen Folgen gibt, die den Ort betreffen. Hier sehnt man sich nach gemeinsamem Kontakt wie zum Beispiel in der Kirche oder im Verein. Die einzige Hoffnung bleibt dann der Impfstoff. Man wird Corona müde und sehnt sich nach gemeinsamen Unternehmungen mit Freunden, normalen Schulalltag und Urlaub.
Abschließend kann man sagen, dass dieses Jahr ein besonderer Dank den Alltagshelden wie Ärzten, Rotes Kreuz, Diakonie, Nachbarschaftshilfe, Kirchengemeinden und vielen Ehrenamtlichen gilt. Auch den Mitarbeitern in der Gemeinde und Kultur, die versucht haben in dieser Zeit mit Konzerten, Autokino und Schwimmbadöffnung bei uns im Ort etwas „Normalität“ zu schaffen.
(von Mark-Julius Maier, Klasse 11)