Ein Bericht der Schülerinnen Emma Brecher Brecher und Eva Haas
Remchingens Bürgermeister Prayon wird in Kürze Landrat des Bodenseekreises. Eine Gruppe des Journalistinnenteams des Gymnasium Remchingens traf sich daher zu einem Rückblick und Ausblick mit Prayon in seinem Amtszimmer zum Interview.Herr Prayon, wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die Wahl zum Remchinger Bürgermeister gewonnen hatten?
"Spektakulär und schön! Es war aber gleichzeitig auch anstrengend und ein Stück weit belastend, weil man vom Volk gewählt ist, welches einem eine direkte Rückmeldung gibt. Es ist nicht dasselbe wie bei einem Personalgespräch, sondern findet in einem viel größeren Ausmaß statt. So wie damals eben in der Kulturhalle. Die Unsicherheit und Anspannung sind groß – das Gefühl, die Wahl für sich gewonnen zu haben, hingegen erleichternd."Das klingt durchaus positiv. Auf was haben Sie sich am meisten gefreut?
"Wenn ich zurückdenke, habe ich mich tatsächlich vor allem auf die Vielfalt gefreut. Von Behördenterminen bis Interviews und Grußkarten für Jubilare ist alles dabei. Das macht meinen Arbeitsalltag bis heute sehr bunt."Das stimmt, die Abwechslung ist groß. Welche Kernaufgaben, die ein:e Bürgermeister:in übernimmt, würden Sie dabei unterscheiden?"Die Aufgaben des/der Bürgermeisters/-in sind grundsätzlich drei. Zum einen ist er/sie Chef:in der Verwaltung. Die mehr als 340 Mitarbeiter:innen in den verschiedensten Aufgabenbereichen wie beispielsweise „Wald“ brauchen eine:n Ansprechpartner:in. Diese:r kümmert sich um auftretende Probleme und klärt Fragen. Das beansprucht bereits viel Arbeit.Auch ist der/die Bürgermeister:in Vorsitzende:r des Gemeinderats, der/die alles Wichtige in und um die Gemeinde entscheidet. Während der/die Bürgermeister:in eigenständig nur über kleinere Dinge entscheiden kann, kümmert sich der Gemeinderat um die wichtigen Fragen.Zu guter Letzt wirkt er repräsentativ für seine Gemeinde, was auch eine wichtige Rolle ist."Welche charakterlichen Eigenschaften spielen dabei eine wichtige Rolle?"Die wichtigste Eigenschaft, die ein:e Bürgermeister:in haben sollte, ist ein:e Menschenfreund:in zu sein! Wenn man einen Job wie diesen hat, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, muss man Spaß daran haben. Eine Sache, die auch wichtig sein könnte, ist schon eine grobe Ahnung mitzubringen von dem, was einen erwartet und einen Überblick zu haben, wie eine Gemeinde so funktioniert."Wie würden Sie es mit langjähriger Erfahrung einschätzen – Vor welchen Herausforderungen steht ein:e Bürgermeister:in?"Eine große Herausforderung ist das Finden von geeignetem Personal, beispielweise Erzieher:innen. Das kostet unglaublich viel Zeit und Energie. Somit liegt die Herausforderung darin, die eigene Arbeit als Bürgermeister überhaupt zu bewältigen – und das funktioniert nur mit Personal.Die zweite große ist das Unterbringen von Flüchtlingen. Man braucht Wohnraum, den die Gemeinde Remchingen ohnehin nicht hat. Es ist heikel, wenn man gesagt bekommt, dass im Mai 20 neue Flüchtlinge in Remchingen ankommen werden. Das ist nicht nur theoretisch, die stehen dann tatsächlich da. 20 Menschen, die eine Unterkunft brauchen, die wir nicht haben.Die dritte ist die finanzielle Situation. In Remchingen sind wir gut aufgestellt, trotzdem nehmen die Aufgaben weiter zu, genauso wie die Kosten. Jetzt gerade beispielsweise bauen wir einen neuen Kindergarten mit Kernzeitbetreuung in Wilferdingen. Ursprünglich angesetzte neun Millionen Euro wurden zu aktuellen 14 Millionen Euro. Und das Geld fällt selbstverständlich nicht vom Himmel. Darum kümmere ich mich momentan und werde diese drei Herausforderungen an meine:n Nachfolger:in vererben."Bei all diesen Herausforderungen, welchen Ratschlag würden Sie der/dem neue:n Bürgermeister:in mitgeben?"Immer cool bleiben (lacht). Ich bin zuversichtlich, dass mit dem guten Team, das wir hier haben, alles klappen wird."Angesichts des bereits anlaufenden Wahlprozesses – können Sie uns erklären, wie dieser genau abläuft und was uns in nächster Zeit erwartet?Selbstverständlich. Als klar war, dass ich die Stelle verlassen werde, wurde ausgeschrieben: „Remchingen sucht eine:n neuen Bürgermeister:in“. Das richtet sich an die breite Bevölkerung. Die Bedingungen in Baden-Württemberg dafür sind Staatsbürger:in eines EU-Landes zu sein und das 25. Lebensjahr erreicht zu haben. Das ändert sich jetzt aber auch demnächst und wird auf 18 gesenkt. Was noch dazu kommt ist, dass man seine Wählbarkeit nicht verloren haben darf. Das heißt, man darf nicht im Knast sitzen wegen Mordes beispielsweise. Aber ansonsten ist das alles.Sprich: Man braucht keine Berufserfahrung, quasi gar nichts. Auf der einen Seite ist das das Schöne am Bürgermeisteramt: es ist sehr offen, jede:r kann kommen. Auf der anderen Seite ist es schwierig, sich etwas Konkretes darunter vorzustellen, da es eben so offen ist. Am 18. Juni ist die Wahl in Remchingen. Wer mehr als 50 Prozent im ersten Wahlgang erreicht hat, ist automatisch gewählt. Wird das nicht erreicht, dann ist drei Wochen später der-/diejenige gewählt, der/die dann die meisten Stimmen hat."Wie stehen Sie zum aktuellen Wahlprozess? Sind Sie gespannt auf den/die neue:n Bürgermeister:in oder sind Sie gedanklich schon bei Ihrem neuem Amt?
"Bisher bin ich sowohl gedanklich als auch praktisch noch hier. Bis Ende Mai habe ich mir vorgenommen, ganz normal meine Tätigkeit als Bürgermeister fortzusetzen. Da meine Stelle als Landrat am Bodensee erst nach den Pfingstferien beginnt, bin ich gedanklich bisher noch nicht dort.Als Bürgermeister:in ist man den ganzen Tag im Amt und wächst eng mit seinen Kolleg:innen zusammen. Insofern bin ich sehr gespannt wer der/die neue Bürgermeister:in Remchingens wird. Freuen würde ich mich natürlich auch, wenn die Projekte, die ich angestoßen habe, bei dem/der neuen Bürgermeister:in auf Begeisterung stoßen und sie fortgeführt werden können."Wie schätzen Sie die Lage ein? Denken Sie, dass sich noch ein weitere:r Kandidat:in aufstellen lässt?
"Das ist schwierig zu sagen. Ich gehe aber davon aus, dass es bei drei oder vier bleiben wird."
Wie die Wahl weiterhin verläuft, erfahren Sie in den nächsten Wochen auf remchingen-prima.de. Wir bedanken uns herzlichst bei Herrn Prayon für seine Zeit und erkenntnisreichen Antworten und wünschen Ihm einen guten Start in seinem neuen Amt als Landrat!Das Interview führten Julie Höll, Sarah Hoffmann, Emma Brecher und Eva Haas im Rahmen eines Journalismus-Projektes von Remchingen-prima mit Schülerinnen des Gymnasiums Remchingen.
Julie Höll, Sarah Hoffmann, Emma Brecher, Luca Wilhelm Prayon, vlnr (Foto: Eva Haas)
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