Schüler:innen verfassen Texte im Rahmen der Einheit „Liebe – Sexualität – Partnerschaft"
Der Text entstand im konfessionell-kooperativen Unterricht in Religion in der Einheit „Liebe – Sexualität – Partnerschaft“. Mit Hilfe von selbst recherchierten Materialien (siehe Quellen am Ende) sollte ein informierender oder argumentierender Text mit ca. 700 (bzw. 1400 zu zweit) Wörtern zu einer selbst gewählten Fragestellung verfasst werden. Der Text von Hannah und Toni zeigt sehr beeindruckend, was Schüler:innen bereits in Klasse 10 leisten können. Michael Tinkl
Jahrhundertelang wurde Gott in der Kunst als weißer, alter Mann mit Bart dargestellt. Eines, wenn nicht sogar das bekannteste Werk ist wahrscheinlich das Gemälde ,, Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo, das dieser zwischen 1508-1512 an die Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom malte.
Auch wenn man sich in Kirchen umsieht, wird man ein ähnlich männliches Gottesbild in Form von Gott als Vater oder seinem Sohn Jesus als Mann vorfinden. Auch in der christlichen und hebräischen Bibel werden größtenteils männliche Pronomen und Beschreibungen für Gott verwendet. Die Darstellung Gottes als Mann in der Kunst und der Bibel sind zwei Hauptgründe, warum sich die meisten Menschen Gott als Mann vorstellen. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass Macht in der Gesellschaft mit „männlicher Energie“ verknüpft wird.
Aber sollten wir uns wirklich auf EIN Gottesbild festlegen? Gerade viele jüngere Menschen empfinden das nicht so und wollen diese männliche Assoziation Gottes durchbrechen. So schlägt z. B die Katholische Studierende Jugend (KSJ) vor, dass die Schreibweise Gott mit einem Gendersternchen (also Gott* bzw. G*tt) benutzt werden könnte, um mehr Vielfalt darzustellen. Kritiker dieser Schreibweise meinen jedoch, dass das Gendersternchen Gott erst vergeschlechtlicht , da es annehmen lässt, dass die ursprüngliche Schreibweise nicht geschlechtsneutral sei.
Der Philosoph David Lauer, dessen Forschungsschwerpunkte auf Geistes- und Erkenntnistheorie liegen, vertritt die Meinung, dass ein Name zwar immer bezeichnen, aber niemals beschreiben könne. So wird Gottes Name im Hebräischen Testament (im Christentum das sogenannte „Alte Testament“ als Tetragramm - bestehend aus vier Konsonanten, die man in Umschrift als JHWH schreiben kann -, wiedergegeben. Dies sollte den Namen nämlich unaussprechlich machen und sei – so Lauer – offensichtlich geschlechtsneutral. Gottes Pronomen seien jedoch, genauso wie die Bezeichnungen, bereits im Hebräischen männlich gewesen. Auch wenn man den Namen Gottes als Gattungsbezeichnung sehen würde, wäre Gott männlich. Z.B ist Zeus EIN Gott und Athene EINE Göttin. Daher sei das Gegenargument, dass das Gendersternchen Gott vergeschlechtlichen würde, widerlegt, da für Gott schon immer männliche Beschreibungen und Pronomen verwendet wurden. David Lauer empfindet die Forderung, sprachliche nicht binäre Vielfalt in das Gottesbild einzutragen, nur umso gerechtfertigter.
Der „Missionar für weltweite Literaturarbeit“ und ehemaliger Lehrer von Philosophie und neutestamentlicher Literatur an der Colorado Christian University Alexander Strauch findet hingegen, dass Jesus ein Mann gewesen sein musste. Für ihn sei Adam, nicht Eva ein Bild bzw. Vorbild für Jesus Christus. Dies begründet er z. B. damit, dass das Neue Testament Adam als ,,Bild des Zukünftigen“ (Röm 5,14) bezeichnet. Wer leugnet, dass Christus ein Mann gewesen sein soll, der würde auch Gottes Heilplan leugnen und damit eine der gleichgestellten wichtigen biblischen Voraussetzungen. Außerdem würde die Bibel Jesus ja ausschließlich mit männlichen Titeln, Aufgaben und Rollen belegen. Auch Gott würde sich in der Bibel ja hauptsächlich in männlicher Sprache, männlichen Bezeichnungen, Ämter und Rollen zeigen. Und da Jesus Gott in seiner menschlichen Form ist, müsse Jesus auch männlich sein. Da es ja sehr viele Göttinnen in von Männern beherrschenden Kulturen gegeben hätte, hätten sie in der Bibel auch von einer Göttin schreiben können, täten es aber bewusst nicht. Damit würden das Christentum und das Judentum sogar mit ihrem einzigen männlichen Gott eher hervorstechen. Außerdem würden sowohl Gott als auch Jesus in der Bibel als Vater und Sohn bezeichnet werden, nicht als WIE Vater und Sohn.
Nachdem nun die zwei unterschiedlichen Meinungen von zwei Philosophen aufgezeigt wurden, stellt sich die Frage, was eigentlich die Kirche zu der ganzen Thematik sagt. Die evangelische Kirche Deutschlands nahm nie direkt dazu Stellung, jedoch vergab sie an die Theologin Anna Löw den Hanna-Jursch-Nachwuchspreis, woraus man indirekt ihre Position ablesen kann. Die von Löw verfasste Hauptseminararbeit trägt den Namen ,, Das Motiv der Schöpfung als Geburt durch JHWH. Eine Untersuchung von Psalm 90,2“ und wurde im Rahmen des Themenfeldes der 11. Ausschreibung ,, Geschlecht in der Krise – Krisen des Geschlechts‘‘ ausgezeichnet. Anna Löw zeigt in ihrem Werk auf, dass das Gottesbild im Alten Testament über die Vorstellung eines männlichen Gottes herausgeht. An Psalm 90,2 (Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit ) konnte sie die Geburtsmetaphorik und die weibliche Seiten des biblischen Gottes herauslesen, die zuvor vernachlässigt worden waren. Die Metaphorik der Bibel sei also diverser als angenommen, so Löw. In ihrem Fazit schrieb sie, dass es die Sprache sei, die Gott zur Vorstellung bringe. An dieser Auszeichnung und an der Tatsache, dass der Rat der EKD alle zwei Jahre einen Preis für wissenschaftlich-theologische Arbeiten vergibt, in denen geschlechtsspezifische Perspektiven eine wesentliche Rolle spielen, wird klar, dass die EKD Diversität in Sachen Geschlecht Gottes unterstützt.
Die katholische Kirche hat selbst noch nichts Offizielles zum Geschlecht Gottes gesagt. Allerdings hat Anna-Sophia Kleine, theologische Assistentin im Bundesamt der Katholische Studierenden Jugend (KSJ) gesagt, dass man sich Gedanken darüber machen sollte, wer und was Gott, für einen selbst, wirklich ist. Gott sei außerdem eine so komplexe Macht für den menschlichen Geist, dass man das Geschlecht und das allgemeine Abbild Gottes nicht beschreiben könne. Außerdem sagt sie, dass man Gott nicht auf ein Geschlecht reduzieren könne und solle und man daher lieber Gott mit Gendersternchen (Gott*) schreiben sollte. ,,Gott* ist eben nicht nur Vater, nur Mann, sondern genauso sehr Frau und Mutter." Wir sollten einsehen, dass unser Glaube sich hauptsächlich um Gott dreht und schon von Anfang an durch patriarchale Strukturen geprägt wurde. Dies zeigt sich in allen Bereichen der Kirche, insbesondere der katholischen.
Was sagt die Bibel im Ganzen zur Frage nach dem Geschlecht Gottes? Der Alttestamentler Frank Crüsemann, merkt dazu an, dass Gott nicht vor allem männlich sein könne, wenn das Bild Gottes männlich und weiblich ist. Obwohl das Wort ,Gott' grammatikalisch männlich sei, müsse jenseits der Geschlechterpolarität von ihm/ihr männlich wie weiblich gesprochen werden." Die jüdische Theologin Marcia Falk schreibt: ,,Das Bilderverbot bedeutet nicht, du sollst dir überhaupt kein Bild von Gott machen, sondern du sollst dir niemals nur ein Bild von Gott machen, ein Bild von Gott ist ein Götzenbild.” Das wiederum bedeutet, dass wir von Gott nicht nur das Bild eines alten weißen bärtigen Mannes haben sollten, sondern auch ein anderes, was unter anderem auch ein Bild mit anderem oder gar keinem Geschlecht sein könnte.
Den hebräischen Gottesnamen ,,JHWH” als ,,Kyrios”(griechisch), ,,Dominus”(lateinisch) und ,,Herrn” (deutsch) zu übersetzen, ist falsch, da ,,JHWH” im Gegensatz zu den übersetzten Versionen kein Geschlecht hat. Während in der deutschsprachigen Bibel ca. 6.000 mal vom ,,Herrn” die Rede ist, werden diese Stellen in den griechischen und hebräischen Originaltexten meistens paraphrasiert. Dies könnte zwar damit begründet werden, dass die Bezeichnung ,,Herr” vor 2.000 Jahren nur für Männer mit großer Macht benutzt wurde, was allerdings nichts daran ändert, dass Gott dadurch als Mann dargestellt wird. Außerdem wird die Anrede ,,Herrn” heutzutage nicht mehr nur für Männer mit Macht, sondern ausnahmslos für jeden Mann verwendet.
Im I Korinther 11,3 steht geschrieben, ,,Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi” wodurch gezeigt wird, dass Gott ein Mann zu sein scheint, da Gott das Haupt Christi und Christus das Haupt eines Mannes ist. Im 1. Mose 1,27 steht allerdings geschrieben, ,,Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau”, was darauf hindeutet, dass Gott sowohl Mann als auch Frau verkörpert. ,,Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus." (Gal 3,28). Mit dieser Bibelstelle ist gemeint, dass Jesus jeden Menschen unabhängig von dessen Geschlecht verkörpert.
Man könnte außerdem damit argumentieren, dass die Geschlechterrollen, wie wir sie heute kennen, früher anders waren. Männlichkeit musste man sich beispielsweise ‚verdienen' oder ‚erkämpfen', während beispielsweise Sklaven oder Barbaren automatisch feminin dargestellt wurden. Das heißt, dass Geschlechterrollen eher eine Abbildung des sozialen Standes und der Ethnie waren. Dadurch hatte Gott ein maskulines Erscheinungsbild, da er viel Macht besaß beziehungsweise die Macht selbst verkörperte.
Daraus können wir deuten, dass nicht einmal die Bibel, unsere Heilige Schrift, sicher sagen kann, welches Geschlecht Gott hat, was darauf hinweist, dass wir die Entscheidung über Gottes Abbild für uns selbst entscheiden müssen. Und genau das haben wir auch gemacht und sind dabei zum Schluss gekommen, dass Gott für uns kein Geschlecht hat, da wir Gott dadurch auf eine menschliche Eigenschaft reduzieren würden. Da Gott für uns außerdem mehr ein Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit und Liebe hergibt als ein Erscheinungsbild, haben wir auch keine weiteren Vorstellungen zu Gottes Aussehen.
Von Eva Lindermeir und Toni Schmidt (10 c)
Quellen:
https://www.indeon.de/glaube/ist-gott-eigentlich-mann-frau-divers
https://www.publik-forum.de/menschen-meinungen/gott-mit-sternchen-schreiben
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Erschaffung_Adams
https://de.wikipedia.org/wiki/Gott
https://www.deutschlandfunkkultur.de/hat-gott-ein-geschlecht-und-wenn-ja-welches-102.html
https://www.ekd.de/rat-der-ekd-vergibt-den-hanna-jursch-nachwuchspreis-73992.htm
https://bibeltext.com/psalms/90-2.htm
https://www.katholisch.de/artikel/26917-gott-mit-genderstern-katholische-studenten-verteidigen-kampagne
https://www.bibel-de.org/Gott-Kein-Geschlecht.html
https://www.bibleserver.com/LUT/1.Korinther11
https://www.die-bibel.de/bibeltext/1.Mose1,1-2,4a
https://www.tagesspiegel.de/wissen/gott-ist-mannlich-und-weiblich-3672253.html
https://www.emma.de/artikel/gottes-geschlecht-jenseits-von-gottvater-265285#:~:text=Die%20Antwort%20lautet%3A%20Es%20ist%20m%C3%A4nnlich%20und%20weiblich%20zugleich%22.&text=Im%20Verst%C3%A4ndnis%20der%20hebr%C3%A4ischen%20Bibel,noch%20nur%20weiblich%2C%20sondern%20beides